Informationsblatt für Ärzte

Hochsensibilität – Kurzinformation für VertreterInnen von Heilberufen (Somato-Pathologie)

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ihr/e Patient/in stellt sich als hochsensible Person vor und bittet Sie, diesen Umstand im Kontext von Diagnostik und Therapie zu berücksichtigen. Für den Fall, dass Sie erstmals mit diesem Terminus konfrontiert sind, sei an dieser Stelle eine kurze Vorstellung der Thematik unternommen.

Die Feststellung, dass einige Menschen sensibler sind als der Durchschnitt, dürfte trivial sein. Freilich gibt es Hinweise darauf, dass eine entsprechende neurologische Konstitution (Klages, s. u., spricht von einer „besonderen thalamischen Affizierbarkeit“) im Rahmen therapeutischer Arbeit u. U. speziell berücksichtigt werden muss, um sachgerechte Interventionen durchführen zu können.

Namentlich gibt es Berichte über (Diagnostik und Behandlung erschwerende) Überempfindlichkeit gegenüber Schmerzen, stärkere Reaktionen auf Medikation sowie ansonsten unerklärbare psychosomatische Symptomatik. Im psychiatrischen Kontext existieren Hinweise auf eine erhöhte Anfälligkeit insbesondere für die Ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung, ICD F60.6.

In jüngster Zeit ist höhere Sensibilität verstärkt in Zusammenhang mit dem Terminus sensory processing sensitivity von der akademischen Differentialpsychologie thematisiert worden. Vereinzelt wird postuliert, ein Konstrukt mit dem deutschen Namen „Hochsensibilität“ beschreibe eine besondere neurologische Konstitution, die als solche nichtpathologischen Charakter habe und 15 bis 20 % der Humanpopulation betreffe; vermutlich wird Ihr/e Patient/in diesen Terminus zur Selbstbeschreibung verwenden.

Die jüngste Monographie, die sich aus medizinwissenschaftlicher Sicht mit (höherer) Sensibilität auseinandersetzt, ist das Buch „Der sensible Mensch: Psychologie, Psychopathologie, Therapie“ von Wolfgang Klages (ehem. Direktor der Psychiatrischen Klinik der TU Aachen) aus 1991. Literatur zur (Somato)Pathologie Hochsensibler existiert praktisch nicht.

Als Zusammenfassung sei darum gebeten, eine von PatientInnen behauptete besondere Empfindlichkeit, die eine Anpassung von Diagnostik und Therapie erfordere, a priori weder als pathologisch noch als Symptom für eine (endogene) Psychopathologie zu betrachten, solange keine Differentialdiagnose erfolgt ist, die beides bestätigt hat.

Mit freundlichen Grüßen,
gez. Dr. Michael Jack
– Präsident IFHS –